Italien Tour 2019
Es ist kein Geheimnis, dass Italien eine Vielfalt bezaubernder Facetten birgt und so auch nicht verwunderlich, dass schon die eine oder andere Tragfläche über den Dächern dieses entzückenden Landes gesichtet wurde. Aufgrund der aufkommenden Sehnsucht nach ein wenig sonnigem dolce Vita nach einer anhaltenden Regenphase in Deutschland entschieden wir daher, unsere diesjährige VL3 Reise diesem fliegerischen Klassiker zu widmen und den italienischen Stiefel bis nach Sizilien zu erkunden.
Raus aus dem Grau
Wenn man sichtflugbedingt plant, bleibt ein gewisser Grad an Spontaneität nicht aus. Gewitter in den Alpen versperrten uns den direkten Weg nach Norditalien. Doch wo ein Wille ist, ist ja bekanntlich auch ein Weg und der wiederum führte unsere 6 Lieblingsstücke erst einmal gen Südosten. Nach einem mit gratis Waschanlagen gezeichnetem Weg über Tschechien und Österreich erreichte unsere 12-köpfige Gruppe nach etwas über 2 Stunden einen altbekannten Flugplatz in Ungarn am Balaton. Wie bereits vor 2 Jahren auf unserem Weg nach Kroatien wurden wir in Siofok (LHSK) vom Flugplatzleiter herzlich begrüßt, konnten unsere Flieger volltanken und unsere eigenen Flüssigkeitsreserven im renovierten Restaurant auffüllen. Für den Rund-um-Service inklusive Organisation eines Hoteltransfers ist es allerdings zu empfehlen, vor Flugantritt beim Flugplatzleiter anzurufen.
Nach einer Nacht im balatonischen Charme mit Seeblick starteten wir unsere sechs Motoren am nächsten Vormittag immer noch mit unserem Ziel vor Augen, Süditalien zu erreichen. Drei-Länder-Eck war gestern, heute sprechen wir von einem 6-Länder-Flug. Vom Wetter ließen wir uns wiederum keinen Strich durch die Rechnung machen, sondern legten unsere Route über Ungarn, Kroatien, Bosnien Herzegowina, Serbien und Montenegro bis zum Tagesziel Castel del Monte bei Bari – immer zwischen den Regenwolken der Sonnenschneise folgend. Die Schönheit der abwechslungsreichen Landschaft, die uns während des rund 4 Stunden langen Fluges begleitete, ließ unsere Augen leuchten – von flach gelegenen Wiesen und Feldern in der Puszta, über das von Canyons gezeichnete Dinarische Gebirge zur Adriatischen Küste über die Adria bis nach Süditalien.
Ciao, Süditalien
Trotz unseres spontanen Anrufs bei Francesco, dem Eigner des Agriturismo Tenuta Tennoja mit angeschlossener 800m Grasbahn, erhielten wir die Zusage für Unterkunft und Verpflegung in dem kleinen Anwesen südlich des Castel del Monte. Es bedarf schon einem gewissen Vertrauen in die Navigation und außerdem ist ein fliegerisches Adlerauge sehr von Nützen, um die Bahn auch aus niedriger Höhe überhaupt zu erkennen. Für unsere deutschen Gewohnheiten ist es im Normalfall auch eher eigenartig, die Schneise zwischen Olivenbäume als Grasbahn zu erachten. Wohl wissend unseres Trainings, mittig der Bahn zu landen, um unsere Tragflächen nicht zur Olivenpresse umzufunktionieren, waren wir auch zum wiederholten Mal dankbar für das stabile Fahrwerk unserer Lieblingsstücke. Wir wurden auf unserer dolce Vita Reise mehrmals von der Beschaffenheit der gepflegten Grasplätze überrascht – in Tenuta Tennoja ging die Überraschung jedoch einmal in die andere Richtung. Neben den holprigen Unebenheiten ist die Bahn vor allem durch einen Anstieg am Anfang und am Ende gekennzeichnet. Einerseits von Vorteil, um den letzten Schwung ohne großen Einsatz der Bremsen aus dem Flieger zu nehmen – andererseits ist Vorsicht geboten, dass man sich auf der Hügelkuppe nicht zu nah kommt. Eine Lehre, die wir für unsere kommenden Anflüge gezogen haben.
Dennoch lohnt sich die Reise nach Castel del Monte schon allein aufgrund der Gastfreundlichkeit von Francesco und seines Teams. Das Agriturismo verfügt über 10 saubere Zimmer á 4 Betten im süditalienischen Flair. Für 70€ pro Person und Nacht kommt man zudem in den Genuss eines mehrgängigen Menüs aus regional sowie auf dem Agriturismo angebauten Produkten inklusive Wein. Genau so, wie wir es uns vorgestellt hatten!
Einmal vollmachen, bitte
Nach Zapfsäulen sucht man auf den kleinen italienischen Plätzen verzweifelt. Hier herrscht noch Kanister-Tradition. Daher empfehlen wir lieber auf den ein oder anderen Teller Pasta zu verzichten und dafür lieber einen Schüttelschlauch oder gar einen Trichter im Reisegepäck zu verstauen. Dennoch litten wir nie an Spritmangel. Italien besitzt eine ausgeprägte Fliegerkameradschaft und so erhielten wir immer Benzin von einer nahegelegenen Tankstelle – mal zum Einkaufspreis, mal mit einem kleinen Aufschlag.
Stiefelflug
Ob es Zufall ist, dass das Land der schönsten Schuhe ausgerechnet eine Stiefelform besitzt? Wir wissen es nicht. Allerdings können wir bezeugen, dass der italienische Stiefel wirklich schön anzusehen ist.
Schon am dritten Tag unserer Reise steuerten wir unsere Lieblingsstücke entlang der Stiefelküste über die Straße von Messina, am Fuß des Ätna (der leider unter einer Wolkenglocke lag) entlang bis nach Nordsizilien. Der Platz Minotaurus E Medusa ist eine 600m Grasbahn direkt am Strand. Auch hier hatten wir uns erst spontan am Morgen telefonisch beim Flugplatzeigner gemeldet und erhielten ohne Umschweife Unterstützung zugesagt. Völlig entgegen den Italienern nachgesagten Mentalität erwartete Giorgio uns zur besprochenen Zeit am Platz und brachte uns gemeinsam mit seiner Frau in die bergige Landschaft Siziliens. Einige Höhenmeter später, die wir zwar motorgetrieben, aber diesmal nicht dank unserer Tragflächen zurücklegten, erreichten wir nach einer letzten Linksbiegung ein kleines Paradies. „La Mama“ wird hier noch großgeschrieben. Dank der innerdörflichen Verbundenheit in Acquedolci brachte Luigi uns in ein bezauberndes matriarchalisch geführtes Agriturismo im Charme eines Rosamunde Pilcher Films. Wo man hinblickt, kleine verspielte Sitzecken zwischen Zitrus und Orangenbäumchen, die Zimmer im katholischen Fachwerkhausstil und alles umringt mit einem Ausblick auf das Mittelmeer.
Bella Sizilien
Die Entscheidung eine weitere Nacht in dieser Idylle inklusive feiner Verköstigung zu verbringen brauchte keine langen Überlegungen. Tagsüber machten wir unsere Flieger wieder startklar, um die Insel von allen Seiten zu bestaunen und um unser Glück zu versuchen, vielleicht doch eine funktionierende Tankstelle zu finden.
Zumindest wurden wir mit dem Anblick auf den Ätna beschenkt. Die schroffe Landschaft gezeichnet von Asche und Lavaströmen des noch aktiven Vulkans ist erstaunlich schön und es ist kaum zu glauben, dass am Fuße dieses Berges noch so viel Kolonisation existiert. Auch direkt am Fuß des Ätna liegt eine etwa 500m lange Grasbahn – ein wenig erhöht mit einem sensationellen Ausblick auf den Strand und einem noch beeindruckenderem Anflug. Für die Bahn wurde ein Hügel abgetragen, an dessen Überresten man jedoch zwangsweise im kurzen Endanflug vorbeimuss. Zwar erhielten wir hier keinen Sprit, aber allein der vorangegangene Abstieg von 9500 Fuß innerhalb weniger Minuten und die Landung waren den Abstecher wert.
Eine Tankstelle fanden wir bei unserer nächsten Landung zwar auch nicht, dafür aber ein weiteres ausnahmsloses Beispiel für die sizilianische Gastfreundlichkeit. Ragusa ist ein weiterer kleiner privater Platz mit einer 600m überaus gepflegten Grasbahn. Wir erschraken zwar ein wenig vor dem Begrüßungskommittee bestehend aus drei großen Hunden und einer Katze, namens Spiderman, stellten aber schnell fest, dass der Anblick der liebevollen Vierbeiner wohl mehr zu Showzwecken dient.
Ihr Herrchen, ein fliegender Zahnarzt, der mit seinen Privatmaschinen bereits bis nach Cap Verde geflogen ist, kam nur wenige Minuten später. Mit einem 250 Liter Tank Marke Eigenbau versorgte er alle unsere Flieger mit ausreichend Sprit und brachte uns anschließend noch in ein modernes Strandrestaurant. Auf unsere Einladung zum Essen antwortete er zwar, dass er dann mit Scheidung durch seine Frau rechnet, aber versicherte, dass er uns wieder abholen würde. Dem war auch so. Um uns alle 12 gesättigten Piloten gleichzeitig bis zum Flugplatz zurück bringen zu können, akquirierte er kurzerhand gleich noch die halbe Barbesatzung des Restaurants für die Rückfahrt. Frisch erholt und betankt, machten wir uns auf den Rückweg gen Minotaurus E Medusa. Allerdings natürlich nicht ohne unseren sizilianischen Helfer noch einmal zu fragen, was wir ihm für seine Hilfe Gutes tun könnten. Die Antwort war ganz schlicht: nichts. Er freut sich über die Einladung, uns in Deutschland zu besuchen.
Nach einem traumhaften Sunset Flug im Westen der Insel über Palermo erreichten wir im roten Schein der untergehenden Sonne wieder unser Zwischenlager. Beim Abstellen unserer Flieger wurde das Rauschen der Wellen durch das Klingeln von Glöckchen übertönt. Rasenmäher war gestern. Nach Untergang der Sonne kümmert sich der örtliche Schäfer mit seinen über 100 Tieren um den Erhalt des Zustands der Bahn. Ein abwechslungsreicher Anblick mit Schmunzelgarantie.
Da, wo Liebesfilme gedreht werden.
Auch wenn Sizilien uns in seinen Bann gezogen hatte, traten wir am nächsten Tag unsere Rückreise gen Norden an. Nicht aber ohne noch einen Abstecher um die vor Sizilien gelegenen liparischen Vulkaninseln zu machen. Auch hier faszinierte uns der Ausblick auf die getrockneten schwarzen Lavaströme, die Schwefeldämpfe, die vom Stromboli aufstiegen und die weißen Küstendörfer. Nach einem Hüpfer über das Mittelmeer erreichten wir wieder italienisches Festland und wurden auf unserem Weg nach Salerno wiederum von wundervollen Küstenabschnitten mit Steilküsten und alten Festungsanlagen verzaubert bis wir am Tagesziel, dem Aviosuperficie del Sole, ankamen. Bereits im Funk begrüßte uns der Flugplatzeigner und wies uns an, nacheinander zu landen. Die 400m Grasbahn südlich von der Stadt Salerno direkt am Wasser ist ebenso gepflegt wie wir es bis dahin kannten. Die Herausforderung besteht eher darin, dass man von der Landseite über Gewächshäuser anfliegt und auf der Wasserseite ein Zaun den Weg zur Hauptverkehrsstraße abtrennt. Gelobt sei unsere 55 Grad Landeklappe, die alle unsere Piloten auch bei Seitenwind und kurzer Bahn sicher landen ließ.
Zwar sind die Landegebühren des Eigners von 40€ pro Flugzeug bei Weitem höher als normal, dafür wird man mit einem guten Glas selbst angebautem Lambrusco oder wahlweise Espresso begrüßt und auch hier kümmerte man sich rührig um unsere Unterbringung.
Traditionell planten wir einen Tag am Boden der Tatsachen zu verbringen. Also tauschten wir unsere Tragflächen gegen 12 Räder, um die weltbekannte Amalfiküste und die Trauminsel Capri zu besuchen. Nicht umsonst finden sich an der Steilküste von Amalfi zahlreiche Luxushotels mit Fahrstühlen bis zum Strand, Fischrestaurants und kleine Dörfer mit Boutiquen und süßen Cafés – hier werden Filme gedreht! Nach einer 3,5 Stunden langen Fahrt auf schmalen am Hang gewundenen Straßen in einer blühenden Landschaft und salziger Meerluft erreichten wir die Spitze des 50 Kilometer langen Küstenabschnitts und stiegen in Sorrent in die Fähre nach Capri. Die kleine Insel ist ein Touristenhighlight im Golf von Neapel mit zahlreichen landschaftlichen Highlights. Wir pickten uns den Touristenklassiker heraus und tauchten in die blaue Grotte ein. Es ist ein hübsches Naturspektakel, dass das Wasser der kleinen Höhle durch Sonneneinstrahlung in leuchtendem Blau erstrahlt – noch spannender ist allerdings das Eintauchen in die Grotte mit den kleinen Booten.
Stadt der Masken
Es gibt sie doch, die Flugplätze mit angeschlossener Tankstelle! Nach einer letzten Nacht in Salerno starteten wir am Vormittag vom Aviosuperficie del Sole wieder entlang der Küste, über die Weltstadt Rom bis in die Toskana. Dort befindet Serristori, betrieben durch einen Aeroclub bietet der Platz eine Asphaltbahn, eine Tankstelle, ein Hotel mit Restaurant und Pool. Optimal für eine entspannte Zwischenlandung oder als Nachtlager. Wir entschieden uns für die erste Variante und die selbstgemachte Pasta mit einem anschließenden Sprung in den Pool. Unser eigentliches Ziel lag noch ein Stück weiter im Nordosten: Venedig. Nach einem knapp 1-stündigen Flug über die Apenninen erreichten wir die überflutete Landschaft rund um die Stadt der Gondeln und Masken. Der Anflug auf den Lido bietet einen fantastischen Blick auf den Markusplatz. Besonders spannend ist auch der Anblick der vermutlich in der Innenstadt liegenden Kreuzfahrtschiffe, die jegliche Häuser übertürmen. Ebenso ein Monstrum befand sich gerade auf dem Weg Richtung Mittelmeer als unsere Formation in den Endanflug drehte. Fazit: drei von uns konnten dem Kapitän zuwinken, zwei schauten sich den Kreuzer von hinten an und einer startete durch, weil der kurze Endanflug versperrt war.
Und schwupps ist eine Woche auch schon wieder vorbei. Noch einen letzten Abend genossen wir nach einer venezianischen Wassertaxifahrt den Anblick der beleuchteten Innenstadt von Venedig und das italienische Flair bevor wir zum letzten Mal auf dieser Reise unsere Taschen packen sollten.
Man möchte meinen, dass man sich an den Moment gewöhnt, wenn wir uns auf dem Rückflug – dieses Mal in FL130 über den Alpen – voneinander verabschieden. Aber nein: dieser Augenblick verpasst uns immer wieder eine Gänsehaut. Eine Woche, 6000 Kilometer, 25 Flugstunden und wunderschöne Momente im dolce Vita liegen nun schon wieder hinter uns und bieten uns im angekommenen Alltag noch die eine oder andere Erinnerung zum Träumen.
Wo es uns im kommenden Jahr hin verschlägt, wissen wir noch nicht – die Vorfreude darauf ist jedoch schon ganz groß.